Der letzte Blog Eintrag ist nun wirklich schon lange her. Ich muss sagen, je mehr Zeit hier in Tansania vergeht und schon vergangen ist, umso schwerer viel es mir, für all meine Eindrücke, die Tag für Tag auf mich einwirken, die richtigen Worte zu finden. Und so dachte ich mir, ich schreib einfach erst wieder, wenn ich das Gefühl habe, dass der richtige Zeitpunkt dafür gekommen ist. Nun, drei Monate, bevor meine Reise wieder nach Hause geht, sitze ist also am Computer und bastle an einem neuen Blogeintrag. Ich hoffe, ihr könnt das nachvollziehen und nehmt es mir nicht zu übel, dass es nun so lange gedauert hat, bis der nächste Eintrag hier zustande kam. Ich wünsche euch viel Spaß beim Lesen.
Ende Dezember 2015 stand für Lia und mich der erste Urlaub in Tansania an. Das war toll und es tat sehr gut, sich von den ersten Monaten Arbeit zu erholen und um alles erlebte ein wenig sacken zu lassen. Durch die wöchentlichen Gemeinderundgänge habe ich Tag für Tag Einblicke in das tansanische Leben und den Alltag der Leute bekommen, sowohl positive als auch negative Eindrücke. In dieser Zeit war ich nach jedem einzelnen Gemeindebesuch sehr sehr müde, weil es einfach unglaublich anstrengend war, nicht nur körperlich, sondern vorallem auch psychisch. Eine der schönen Erfahrungen war, dass ich vorallem in dieser Anfangszeit schnell feststellen konnte, dass ich immer mehr Fragen an die Familien stellen konnte, auch in teilweise noch holprigem Suaheli, aber immerhin. Auch ist es jedes mal aufs Neue schön zu sehen, wenn sich die Menschen sehr über den Besuch freuen, auch wenn man einfach nur mit ihnen spricht, singt und betet! Das gibt mir Motivation und Kraft, die Gemeindebesuche auch bis zum Ende unseres Einsatzes im Projekt durchzuhalten. Denn manchmal ist es gar nicht so einfach, motiviert und guter Dinge zu bleiben. Oft sieht man Situationen, wo man sich denkt, wie ein Mensch tagein tagaus nur so leben. Oder man hört Geschichten über Schicksale, die einen doch auch noch lange nach dem Besuch beschäftigen. Aber diese Eindrücke werden mir für immer in Erinnerung bleiben und werden meine Sicht auf viele Dinge nachhaltig verändern. Deshalb bin ich jede einzelne Erinnerung dankbar und werde sie mir im Herzen bewahren.
Über die Weihnachtsfeiertage war ich bei einer deutschen Familie in Same und nach den Feiertagen habe ich mich mit der Freiwilligen, die das Jahr über in Same lebt, auf den Weg nach Sansibar gemacht. Dort haben wir ein paar sehr entspannte Tage am Strand verbracht und Silvester gefeiert. Das Jahr 2016 war also nun angebrochen, das Jahr in dem noch sehr viel Zeit hier in Tansania vor mir steht, aber auch das Jahr, in dem die Reise wieder zurück geht. Zurück in den deutschen Alltag, zurück ins Studium und natürlich auch zurück zu all den Menschen, die ich hier doch sehr vermisse. Das war ein schönes Gefühl, das nun dieses Jahr angefangen hat!
Anfang Januar ging dann wieder der Arbeitsalltag im Projekt los. Lia und ich besuchten zunehmend häufiger alleine die Gemeinden und liefen zusammen mit den Fieldworkern durch die Gegend, um Familien mit den unterschiedlichsten Bedürfnissen zu grüßen, mit ihnen zu sprechen und um mit ihnen zu beten. Im Büro versuchten wir dann, diese Besuche in Worte zu fassen, damit Sister Tango, unsere Chefin, sich ein Bild von den jeweiligen Situationen machen kann. Dadurch kann sie besser entscheiden, welcher Familie mit was am besten geholfen werden kann. Die Zeit bis Mitte Februar war vor allem von Arbeit geprägt. Anfang Februar kamen drei Freunde aus Deutschland in Tansania an. Zwei von ihnen hatten sich für eine Famulatur in einem großen Krankenhaus in Moshi beworben und waren nun gekommen, um jeweils für einen Monat auf einer Krankenstation dort mitzuarbeiten. Eine Famulatur ist quasi ein Pflichtpraktikum, welches man im Laufe des Medizinstudium ableisten muss. Insgesamt muss man vier Monate in klinischen Einrichtungen ableisten und Teile davon kann man auch im Ausland absolvieren. Ich habe mich sehr gefreut, die bekannten Gesichter hier in Tansania wiederzusehen. Meine freien Tage habe ich dann vorallem genutzt, um Zeit mit ihnen zu verbringen. So verging die Zeit bis zu unserem Zwischenseminar in Morogoro wie im Fluge. Genauso wie der Sprachkurs am Anfang meines Aufenthaltes, fand auch das Zwischenseminar in Morogoro statt. Freiwillige aus allen Teilen Tansanias, von unterschiedlichen Entsendeorganisationen entsandt, kamen wieder zusammen, um sich auszutauschen, um zurückzublicken auf die schon vergangene Zeit und auch um einen Ausblick zu wagen, auf die noch bevor stehende Zeit, auf die Ziele, Wünsche und Sorgen, die jeder hat und mit sich herumträgt. Ich habe die Tage sehr genossen und fand es sehr schön, alle wieder zu sehen und den Geschichten zu lauschen, die alle von uns erlebt hatte.
Nach dem Zwischenseminar stand für mich sozusagen mein Jahresurlaub an. Meine Eltern und mein Freund waren mittlerweile gut in Tansania gelandet und ich habe mich sehr über das Wiedersehen gefreut und jeden einzelnen Tag mit ihnen genossen. In dieser Zeit des Urlaubs habe ich viel vom Land gesehen, ich hatte die Chance, die Serengeti und den berühmten Ngorongoro Krater zu sehen, mit meinem Freund habe ich ein paar Tage am Lake Tanganyika verbracht und die Gegend um Singida herum ein wenig erkundet. Was ich auch besonders schön fand war, dass ich meinen Eltern und meinem Freund Menschen, die ich in den vergangenen Monaten hier kennengelernt hatte, vorstellen konnte. Nun hatten viele meiner Geschichten, die ich am Telefon erzählt hatte, endlich auch Gesichter und Stimmen bekommen und ich denke, dass es nun auch für meine Eltern und meinen Freund viel spannender ist, sich meine Geschichten anzuhören. Es war eine tolle Zeit und die Tage vergingen unglaublich schnell. So war nun auch schon Anfang April und alle waren wieder nach Deutschland und in ihren Alltag zurückgekehrt. Nur ich blieb natürlich noch hier. Wieder in meinen gewohnten Alltag zurückzufinden, das fiel mir ehrlich gesagt gar nicht so leicht. Die vergangen Wochen waren so aufregend und besonders, dass mir das Gewohnte erst trüb und langweilig vorkam. Doch nach ein paar Tagen hatte ich mich auch schon wieder einigermaßen daran gewöhnt.
Während ich in der Zeit bis Februar noch sehr motiviert mehrmals wöchentlich zum Chor ging, ist das, seit mein Besuch hier war, deutlich weniger geworden. Hin und wieder gehe ich noch zu den Proben, doch längst nicht mehr so regelmäßig wie in der Anfangszeit. Ich wollte nun einfach mehr Zeit für mich haben und habe mich deshalb ganz bewusst ein wenig zurückgezogen.
Es ist erstaunlich, wie schnell man sich an eine neue Umgebung gewöhnt. Während anfangs für mich jede einzelne Tätigkeit in Tansania noch mit Anstrengung verbunden war, jeder Satz, den ich auf Suaheli sagen wollte, mich noch eine halbe Gehirnverrenkung gekostet hat und auch der Markteinkauf so spannend war wie ein guter Actionthriller, so ist mittlerweile das meiste hier zur Gewohnheit geworden und auch das Suaheli kommt mir ganz leicht über die Lippen. Das ist ein schönes Gefühl und ich denke, dass deshalb auch der Zeitraum, für ein Jahr in Tansania zu bleiben, für mich richtig gewählt war. Ich bin immernoch glücklich über die Entscheidung, ein Jahr im Ausland zu verbringen und kann ohne Abstriche sagen, dass ich Tansania toll finde. Ich freue mich auf die kommenden drei Monate und bin gespannt, was ich noch erleben darf und wer mir noch alles bis zum Tag meines Heimflugs begegnet. Ich lerne jeden Tag mehr über das Land, über die Menschen und auch über mich selbst und nehme das dankend an.
Liebe Grüße,
Eure Nicole